Die militärische Beendigung der Prager Frühlings lag in der Tradition der kommunistischen Herrschaft in Mitteleuropa. Die kritischen Reaktionen innerhalb der Staaten des sowjetischen Imperiums schufen jedoch eine neue Situation. Es entwickelte sich eine neue Generation des Widerstands, Dissidenten. Nach einem halben Jahrhundert wird der Blick darauf differenzierter. Gerade der vielfältige individuelle und sich stärker vernetzende Widerstand, den die Geheimpolizeien brutal unterdrückte, schuf ein neues Europa.
Prof. Dr. Jurko Prochasko (Lviv/Ukraine) wird am 5. September, 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr, in der "Akademie am Vormittag" in Gera (Lutherhaus, Joliot-Curie-Straße 1a) seine Erfahrungen darstellen. Er ist Übersetzer und Psychologe und sagte, wie auf die russische Propaganda zu reagieren sei... "besser singen bedeutet keineswegs zu versuchen, eine Gegenpropaganda zu betreiben, um die Propaganda zu übertönen. Sondern das, was Sigmund Freud empfiehlt: erinnern, wiederholen, durcharbeiten."
Der Philosoph und Vorsitzende des ukrainischen PEN-Zentrums Dr. Mykola Rjabtschuk (Kiew) hatte vor 10 Jahren einen erhellenden Beitrag dazu veröffentlich: "Wie ich zum Tschechen und Slowaken wurde". In Auseinandersetzung mit dem russischen Imperialismus veröffentlichte er in diesem Jahr einen Nachtrag dazu: How (and why) I still remain a Czech and a Slovak. A 2018 afterword. Zum 21. August 2017 war Zorjan Popaďjuk nach Prag eingeladen. Er war 15 Jahre alt, als die Panzer durch seine ukrainische Heimat auf dem Weg in die CSSR fuhren. Wenig später gründete er die „Ukrainische National-Liberale Front“ mit und verteilte am 21. August 1972 in Lviv und Stryi Protestpublikationen gegen die sowjetische Besatzung. Die sowjetische Geheimpolizei KGB verhaftet ihn daraufhin. Er wurde zu sieben Jahren Haft und fünf Jahren Verbannung verurteilt. Nach seiner Zeit im berüchtigten Arbeitslager in Mordwinien musste er im Gebiet Magadan und später in Kasachstan leben. Im September 1982 wurde er erneut wegen antisowjetischer Agitation verhaftet und im März 1983 zu weiteren zehn Jahren Haft und fünf Jahren Verbannung verurteilt wurde. Erst unter Gorbatschow wurde er im Februar 1987 begnadigt. Seine Geschichte war bis vor kurzem nur wenigen Freunden in der Ukraine bekannt.
An der Sheffield Hallam University fand 2017 eine internationale Tagung statt, die die Reaktionen innerhalb des sowjetischen Imperiums auf die militärische Intervention reflektierte. Vieles davon ist in den jeweiligen Nachbarländern noch nicht wahrgenommen worden. So ist auch ein Ergebnis dieser Tagung, dass die militärische Intervention im August 1968 zu einem Katalysator für die nationale Differenzierung des Ostblocks wurde (Kevin McDermott und Matthew Stibbe (Hg.), Eastern Europe in 1968. Responses to the Prague Spring and Warsaw, Cham 2018).