Thüringen hat einen neuen Gedenkort für die Zwangsausgesiedelten. Möglich wurde das durch die Kommune Pottiga und diverse Spender. Am vergangenen Samstag, just vor dem Volkstrauertag 2017, wurde der Gedenkstein im Pottigaer Ortszentrum (Schulstraße 4) eingeweiht. An der Einweihung durch Bürgermeister Wolfgang Sell und in Gegenwart der Präsidentin des Bundes der Zwangsausgesiedelten Marie-Luise Tröbs und des Landrats Thomas Fügmann nahmen Vertreter fast aller Thüringer Grenzgedenkstätten, viele Gäste und einige Einwohner Pottigas teil.
Der Landesbeauftragte Christian Dietrich sagte in seiner Rede u.a.: "Liebe Pottigaer, Sie markieren mit diesem Stein einen Verlust: Mitbürger, die deportiert wurden und nicht mehr hier leben durften. Schulfreunde, Nachbarn, Kollegen, vielleicht auch Verwandtschaft. Liebe Pottigaer, mit diesem Stein markieren Sie aber auch eine Scham. Die Deportationen wurden nicht verhindert, konnten nicht verhindert werden und dann wurden sie verschwiegen oder so lange gutgeredet, bis der Verlust gar als Gewinn interpretiert wurde. Ich glaube, nur dort, wo der Schmerz über die Verluste und über die Folgen der SED-Politik zuglassen wird, kann es auch Heilung geben. Ohne diese Trauer werden wir nicht zueinander kommen können. In der Trauer öffnet sich das Herz. Da sind wir verwundet und verwundbar. Ja, Trauer ist eine Ohnmachtserfahrung. Aber die Unfähigkeit zu trauern ist gepaart mit der Unfähigkeit zur Freiheit. Dem zu entgehen, haben sie diesen Stein gesetzt. Ich gratuliere Pottiga! Lassen sich Zeit! Geben Sie sich Raum für Beides: Trauer und Freiheit." (Die vollständige Rede finden Sie hier)
Frau Dr. Geier, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Landesbeauftragten, hielt im Anschluss einen Vortrag zu den Verantwortungsstrukturen und Vorgängen der Zwangsaussiedlungen in Pottiga 1952 und 1961. (Der Vortrag kann über diesen Link abgerufen werden.) Zudem wurde im vollbesetzten Saal der Film "Vertreibung 1961" (Hier abrufbar auf dem Youtube-Kanal der Point Alpha Stiftung) gezeigt.
Die Ostthüringer Zeitung berichtete am 20.11.2017 u.a.: "Pottigas Bürgermeister Wolfgang Sell (parteilos) bekundete, wie ehrenvoll es sei, dass die Gäste zur Enthüllung des Gedenksteins zusammen knapp 30 00 Kilometer gereist seien, um an der Veranstaltung teilzunehmen. 63 Einwohner seien bei den Zwangsaussiedlungen mit den Aktions-Decknamen 'Ungeziefer' und 'Kornblume' aus Pottiga vertrieben worden. Landrat Thomas Fügmann (CDU) merkte an, dass während seiner bisherigen Amtszeit kaum ein Monat vergangene sei, in dem er mit den Grausamkeiten während der SED-Diktatur konfrontiert würde. Daher sei es umso wichtiger, dass auch junge Menschen durch den Gedenkstein davon erfahren und diese Erfahrung als Mahnung wahrnehmen." (im Internet)
, OTZ, 20.11.2017