Ludwig Große wurde am 27. Februar 1933 in Zeutsch bei Rudolstadt geboren. Er studierte in den Jahren der Verfolgung der Jungen Gemeinden und der Jenaer Studentengemeinde in Jena Theologie. In Tannroda war er Gemeindepfarrer und geriet hier in den Fokus der Staatssicherheit. 1970 wurde er zum Superintendent von Saalfeld gewählt. Zuletzt war er Oberkirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen für Ausbildung und Erziehung. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings forderte er einen Einspruch seiner Kirche bzw. eine Versöhnungsgeste gegenüber dem Nachbarn, der 1938 vom nationalsozialistischen Deutschland besetzt worden war. Seit 1964 war er in der Synode seiner Landeskirche und ab 1974 auch in der Synode des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR und in der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen. Sein Mandat nutze er immer wieder zur Erweiterung der Freiräume in der DDR. In seinen Ämtern unterstützte er kirchliche Gruppen, die vom SED-Staat bedrängt wurden und leitete viele Jahre die Lutherische Bekenntnisgemeinschaft, die die Tradition des Widerstands gegen die Deutschen Christen bewahrte und aktualisierte.
Nach dem Ende der SED-Diktatur engagierte er sich für die Etablierung des Religionsunterrichts im Freistaat und der Überprüfung der Pfarrer und Kirchenbeamten auf Verletzung der Beamten- bzw. Ordinationspflichten. Den Freistaat Thüringen vertritt er zusammen mit dem ehemaligen Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Prof. Dr. Georg Machnik im Beirat des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen. Er hat sich ein Vierteljahrhundert lang der Aufarbeitung der SED-Diktatur oder richtiger des Christseins unter den Bedingungen der Zersetzung durch die SED gewidmet. Hermeneutisch geschult, verlangte er eine Kontextualisierung der Stasi-Akten. 2009 erschien seine weit über 600 Seiten umfassende Auseinandersetzung mit der Aufarbeitung im Kontext der Stasiaktenöffnung unter dem Titel „Einspruch!“. In dieser Studie zum „Verhältnis von Kirche und Staatssicherheit im Spiegel gegensätzlicher Überlieferungen“ veröffentlichte er auch eines seiner Schreiben an den Rat des Bezirkes Gera. Darin schrieb er im Februar 1983, die staatliche „Bemühung um Glaubens- und Gewissensfreiheit durch ‚Klärung von Einzelfällen‘ geht von der Voraussetzung aus, daß Glaubens- und Gewissensfreiheit bestehen und lediglich Verstöße einzelner Personen zu Störungen der garantierten und praktizierten Grundfreiheiten führen.“ Er stellte dann aber fest: „Diese Voraussetzung ist nicht gegeben.“ Konkret und in Abstimmung mit kirchlichen Mitarbeitern und Betroffenen untermauert er auf mehreren Seiten diese Beobachtung. Es war die fehlende Religionsfreiheit in der DDR, die seinem Glauben und seinem Engagement eine eigene Gestalt gab. Vor wenigen Jahren sagte er auf die Frage zum Verhältnis von Glaube und politischen Widerstand: „Eine Mutter, die in einem V[olks]E[igenen] B[etrieb] arbeitete und ihre Kinder über die Jahre treu zur Christenlehre schickte, hatte mehr auszuhalten, als einer, der ein, zwei Mal [im Herbst 1989] demonstrierte!“ Ludwig Große versteht sich zuerst als Christ, als Befreiter: „Evangelischer Glauben macht frei, gerade in schwieriger Zeit. Wir haben die Freiheit, alles, was dem Leben dient, zu bejahen, und dem, was ihm schadet, zu widerstehen. Wir haben aber auch die Kosten zu tragen.“
Im Pfarrerkalender steht an seinem 85. Geburtstag als Tageswort der Bibel: „Wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken! Wie ist ihre Summe so groß!“ (Psalm 139,17) Es ist diese Wachheit für den Horizont Gottes, der unsere Horizonte um wölbt, in der Ludwig Große Türen für andere aufgestoßen hat, ein begnadeter Prediger ist und zum Seelsorger wurde. Ludwig Große hat sich nicht geschont. Ihm hat der Freistaat viel zu verdanken und er ist lohnend, sich seines Engagements in Diktatur wie in Freiheit zu vergegenwärtigen.