Am 4. November 1992 trat das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in Kraft. Es ist die Grundlage für die Rehabilitierung rechtsstaatswidriger Urteile der SED-Justiz. In Thüringen wurde dafür im Dezember 1992 in Hildburghausen das Landesamt für Rehabilitierung und Wiedergutmachung unter der Leitung von Michaela Ecker geschaffen. Inzwischen haben mehr als 215.000 Menschen eine Rehabilitierung auf Grundlage dieses Gesetzes gestellt. In Thüringen wurden bis Ende Oktober 2017 mit Bezug zum StrRehaG 29.850 Rehabilitierungen ausgesprochen. 2016 wurde an 4.900 Personen die besondere Zuwendung für Haftopfer (§ 17a StrRehaG), insgesamt 18.069.260,52 € gezahlt. Deutschlandweit wurden bis Ende vergangenen Jahres über 2 Milliarden € Anerkennungsleistungen nach § 17a StrRehaG ausgezahlt.
Es gehört zum gesetzlichen Auftrag der Landesbeauftragten für Stasiunterlagen bzw. Aufarbeitung, die Betroffenen zu unterstützen. In dem letzten Vierteljahrhundert haben sie mit vielen der Betroffenen individuelle Wege der Rehabilitierung und öffentlichen Anerkennung gefunden. Dieser Weg ist gefährdet, da in den Unrechtsbereinigungsgesetzen als Antragsfrist der 31.12.2019 genannt wird. Noch immer haben viele Betroffene keine Anträge gestellt. Allein im Oktober 2017 wurden zwei ehemalige Haftopfer von uns beraten, die den Antrag auf Rehabilitierung erste jetzt stellten.
Die Landesbeauftragten, die Bundesstiftung Aufarbeitung und viele der Opferverbände plädieren für eine Entfristung der Unrechtsbereinigungsgesetze. Der Bundesrat hat am 3.11.2017 dazu beschlossen, die Frist um 10 Jahre zu verlängern und die Rehabilitierung von ehemaligen Kinderheimkindern, deren Eltern rehabilitiert wurden, zu erleichtern. Die Landesbeauftragten weisen außerdem darauf hin, dass der Wille des Gesetzgebers nur umzusetzen ist, wenn die Opferrente regelmäßig an die Inflationsrate angepasst und entsprechend erhöht wird. Das Gesetz wurde inzwischen achtzehnmal novelliert (siehe dazu auch Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten der Jahre 2015 - 2016):
Haftopfer, die weniger als 180 Tage Haft erlitten, haben Anspruch auf eine Anerkennungsleistung durch die Häftlingshilfestiftung. Hier ist darauf zu achten, dass die Stiftung nicht unterfinanziert ist.
Die Landesbeauftragten, die Bundesstiftung Aufarbeitung und viele der Opferverbände fordern außerdem seit vielen Jahren, dass die Entschädigung bei verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden für die Betroffenen erleichtert werden muss. Eine besondere Hürde ist die Begutachtung.
In der wissenschaftlichen Untersuchung zur Entschädigung gesundheitlicher Folgen von KZ-Häftlingen war Paul Matussek schon vor über 40 Jahren (Die Konzentrationslagerhaft und ihre Folgen, 1971, S. 79) zu dem Ergebnis gekommen, dass das Vertrauensverhältnis von Begutachteten und Begutachter „die entscheidende Determinante“ ist.
Betroffene schreiben über ihre Erfahrungen der Begutachtung:
A: „Die Gutachter gehen dabei voll in die Tiefe und das geht nur wenn man bei den Gesprächen nochmals alles durchlebt und da sieht man sich wieder der damaligen Hilflosigkeit ausgesetzt und das tut weh.
In den nächsten Tagen habe ich diesen Termin in … und kann nicht schlafen. Ich denke laufend wie ich mir einen Schutz aufbauen kann, mach mir Gedanken und geh die Stunden meiner Verhaftung durch u.s.w., dann schrecke ich auf, weil ein Geräusch aus der U-Haft sich im Kopf manifestiert hat. Immer wieder denke ich an all das Geschehene während der Haftjahre, an die Verurteilung und es treibt mir Tränen in die Augen.
Diese Nachbegutachtungen muss ja Jeder durchmachen, der für die Haftfolgeschäden eine Anerkennung hat.
Diese versuchen wir seit Jahren, als unzumutbar einzustufen und nach Aktenlage zu entscheiden.“
B: „Zum Schluss stellte dieser [Gutachter] mir tatsächlich die Frage was ich mir wünschen würde!!!
Meine Antwort:
Akzeptanz dessen, was ich wie heute bin!!!! & stellte unter Tränen (durch Wut im Umgang mit mir) ihn die Frage: ‚Glauben Sie es macht Spaß jeden x-beliebigen Fremden ständig neu alles zu erzählen? Glauben Sie ich renne freiwillig von Ärzten zu Ärzten???‘
Bin richtig emotional auf Flucht gewesen... erniedrigend!!!!!“
Was ist notwendig für eine gelingende Begutachtung: ein geeigneter Ort und eine angemessenes Vor- und Nachbereitung mit dem Antragsteller und vor allem qualifizierte Gutachter (Kenntnis zum DDR-Kontext, Kompetenz in der Psychotraumatologie).
Im Jahr 2000 schuf der Freistaat Thüringen zur Verbesserung der Anerkennung haft- bzw. verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden eine „Zentrale Stelle“ (u. a. ein Vertreter des Landesbeauftragten und ein Vertreter der Verfolgtenverbände). Ein Ergebnis dieser „Zentralen Stelle“ im Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit war, dass seitdem in Thüringen zur Begutachtung von gesundheitlichen Verfolgungsschäden nur Gutachter, die die SBZ/DDR-Problematik kennen, eingesetzt wurden. Die Thüringer Anerkennungszahlen zeigen, dass dieser Weg sinnvoll war. In Brandenburg gibt es inzwischen einen Kriterienkatalog (http://www.lasv.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.527600.de).