Erinnerung an den Beginn der Vertreibung tausender Menschen vor 65 Jahren
Zwischen dem 5. und 8. Juni 1952 wurden in Nacht-und-Nebel-Aktionen in Thüringen mehr als 3.500 Personen aus dem Grenzgebiet zur Bundesrepublik ins Landesinnere zwangsausgesiedelt. Der Mauerbau und die folgenden Absperrmaßnahmen seit dem 13. August 1961 leiteten eine zweite erzwungene Aussiedlungswelle ein, von der in Thüringen knapp 1.600 Menschen betroffen waren. Zur Sicherung des Grenzregimes mussten DDR-weit insgesamt rund 11.000 Menschen ihre Heimat aufgeben.
Die Einschnitte für die betroffenen Menschen waren tiefgreifend. Die Zwangsausgesiedelten verloren Haus, Hof und die Heimat. Freundschaften wurden zerstört und Familien auseinandergerissen. Menschen über Jahre als Staatsfeinde verdächtigt.
Familie Bauer aus Sonneberg - 1961 der Heimat beraubt
Die Geschichte der Familie Bauer aus Sonneberg zeigt, welche Folgen jene Zwangsaussiedlungen haben konnten: Der Vater der 1941 geborenen Elisabeth Freyer, damals Bauer, wurde am 3. September 1961 wegen „Staatsgefährdender Propaganda und Hetze“ zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Im Zuge dessen musste die 20-jährige Elisabeth Freyer mitsamt der restlichen Familie am 3. Oktober 1961 Sonneberg verlassen – sie wurden nach Crimmitschau zwangsumgesiedelt. Die Familie wehrte sich gegen die Zwangsaussiedlung und wurde deshalb wegen „Staatsverleumdung“ verurteilt. Ein Brief des damaligen Verlobten an Elisabeth vom 5. Oktober 1961 konnte nicht mehr zugestellt werden. Mit Bleistift hatte der Postbote vermerkt: „Empfänger wurde aus Sbg [Sonneberg] ausgewiesen. Neue Anschrift unbekannt.“ Der Brief ging nach Potsdam an den Absender zurück. In der Folge zerbrach schließlich die Beziehung zwischen Elisabeth Freyer und ihrem damaligen Verlobten.
Nach dem Ende der SED-Diktatur versuchte sie im Verband „Opfer des Stalinismus (OdS)“ die Akteure der Zwangsausweisung zur Verantwortung zu ziehen. Dies misslang. „Ich kann nicht vergessen und kann nicht verzeihen, denn sie wussten genau, was sie tun.“, sagt Elisabeth Freyer noch heute.